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Ohne Wort, keine Vernunft – keine Welt.
JGH an Jacobi am 2.11.1783

Magus Tag Münster 2011
Samstag, 15. Oktober 2011, 18 Uhr


Programm

Preisverleihung | Lesung und Gespräch

Franz-Josef Czernin wird mit dem Magus-Preis 2011 ausgezeichnet.

Lesung und Gespräch
Sabine Scho liest ihren Originalbeitrag zum Magus Tag Münster,
einen freundschaftlich-kritischen Brief an Johann Georg Hamann.

Vortrag
Hugh Barr Nisbet, 1. Hamann-Forschungspreisträger, spricht über Lessings Toleranz
und die Rezeption von Nathan der Weise heute.



"Poesie ist die Muttersprache des menschlichen Geschlechts"
, hatte Hamann in seiner AESTHETICA. IN. NUCE 1762 verkündet. Unter seinem Diktum "Ohne Wort, keine Vernunft – keine Welt" fragten die 1. Magus Tage Münster 2010 nach dem Zusammenhang von Sprache, Denken, Wahrnehmung. Die 1. Magus-Preisfrage, die die GWK 2011 ausgeschrieben hatte, fokussierte dieses Thema auf die Poesie.

Franz Josef Czernin hat diesen Wettbewerb gewonnen. Wir gratulieren ihm herzlich
zum 1. Magus-Preis!

"Inwiefern kann poetische Sprache heute Instrument und/oder Medium eine Denkens und Fühlens sein, das ohne sie weder möglich noch mitteilbar wäre?"
So lautete die 1. Magus-Preisfrage. Dem Dichter attestierte der "Magus in Norden" in seiner AESTHETICA eine besondere Wahrnehmungs- und Erkenntnisfähigkeit und der poetischen Sprache wies er die Funktion zu, die "ausgestorbene Sprache der Natur von den Toten wieder aufzuwecken".

Mit Franz Josef Czernin und Sabine Scho wollen wir diskutieren, inwieweit man in Auseinandersetzung mit Hamann Einsichten über heutiges poetisches Sprechen und über die Perspektivität eines jeden Sprechens gewinnen kann. Der Hamann-Forschungspreisträger Hugh Barr Nisbet beleuchtet den Perspektivismus unter dem Begriff "Toleranz" im Hinblick auf Lessing, der mit Nathan der Weise einen "Klassiker" Aufklärung und des Theaters überhaupt verfasst hat.

Herzlich lade ich Sie zur Verleihung des 1. Magus-Preises an Franz Josef Czernin und zum zweiten, von Hanni Liang musikalisch begleiteten, Wortwechsel mit Johann Georg Hamann ins münstersche Rathaus ein.

 

 


Susanne Schulte, GWK


 

1. MAGUS-PREIS AN FRANZ JOSEF CZERNIN
Literarischer Wettbewerb der GWK mit Hinblick auf Johann Georg Hamann

Den 1. Magus-Preis der GWK-Gesellschaft für Westfälische Kulturarbeit, Münster, erhält der österreichische Dichter Franz Josef Czernin für seine Aphorismen "AESTHETICA. IN. NUCE. Eine Rhapsodie in Kabbalistischer Prose – und ein dialogischer Widerhall". Der Preis wird für die beste Antwort auf die Magus-Preisfrage vergeben, die die GWK 2010 unter Schriftstellern und Wissenschaftlern ausgeschrieben hatte. Die Preisfrage lautete: "Inwiefern kann poetische Sprache heute Instrument und/oder Medium eines Denkens und Fühlens sein, das ohne sie weder möglich noch mitteilbar wäre?" Die Ausschreibung, die das in der Aufklärung populäre Genre der Preisfrage aufleben lässt, knüpft an Johann Georg Hamann an, der auch als "Magus in Norden" Berühmtheit erlangte.

Hamann wurde 1730 in Königsberg geboren und starb 1788 nach einjährigem Aufenthalt im Westfälischen und in Pempelfort (Düsseldorf) in Münster. Sein Grab befindet sich noch heute in der Domstadt, große Teile seines Nachlasses liegen in der dortigen Universitäts- und Landesbibliothek. Hamann galt dem Sturm und Drang als Verkünder der Subjektivität, des Genies, des Gefühls; die Existenzphilosophie wäre ohne ihn kaum denkbar. Mit der Magus-Preisfrage tritt das wohl umgreifendste Lebensthema Hamanns, die Sprache, in den Vordergrund. "Poesie ist die Muttersprache des menschlichen Geschlechts" hatte er in seiner wirkmächtigen Schrift "AESTHETICA. IN. NUCE. Eine Rhapsodie in Kabbalistischer Prose" 1762 verkündet und dem Dichter eine besondere Wahrnehmungs- und Erkenntnisfähigkeit attestiert. Im Unterschied zur Sprache des Alltags und zur Sprache der Wissenschaft wies er der poetischen Sprache die Kraft zu, die "ausgestorbene Sprache der Natur von den Toten wieder aufzuwecken". Czernins Aphorismen entzünden sich an Kernthesen des Hamannschen Essays und umkreisen in "dialogischem Widerhall" Probleme der Dichtung, wie Hamann sie aufwarf und wie sie heute noch immer aktuell sind. So geht es zum Beispiel um die Mehrdeutigkeit und das Labyrinthische des poetischen Wortes, sein besonderes Deutungs- und Sinnpotential, um Bildlichkeit und Metaphorik oder die Bedeutung der Form in der Dichtung, um das Wechselspiel von Verständlichem und Unverständlichem, von Aussprechen und Verschweigen.

175 Schriftsteller und Wissenschaftler aus dem gesamten deutschen Sprachraum hatten sich an der "Magus-Preisfrage" beteiligt. Eine renommierte Jury entschied über die ihr anonym vorgelegten Beiträge. Ihr gehörten an: der Lektor Thorsten Ahrend vom Göttinger Wallstein Verlag, die Schriftstellerin Katharina Hacker aus Berlin, die Hochschullehrerin Eva Kocziszky aus Budapest und der Schriftsteller Peter Waterhouse aus Wien. Der mit 4.000 Euro dotierte Preis wird von der GWK im Rahmen des Magus Tags Münster am 15. Oktober 2011 im münsterschen Rathaus verliehen.

Die Aphorismen Czernins erschienen zum Magus-Tag in der von Susanne Schulte herausgegebenen Anthologie "Ohne Wort keine Vernunft – keine Welt. Bestimmt Sprache Denken? Schriftsteller und Wissenschaftler im Wortwechsel mit Johann Georg Hamann" im Waxmann Verlag, Münster. ...mehr

 


Preisverleihung | Lesung und Gespräch

Franz Josef Czernin:
AESTHETICA. IN. NUCE. Eine Rhapsodie in Kabbalistischer Prose –
und ein dialogischer Widerhall

Poesie: Sie ergreift das Wort bei seinem Licht und bei seiner Dunkelheit, ja, sie wird vom Wort bei ihrem und seinem Licht, bei seiner und ihrer Dunkelheit ergriffen.
Gedichte, die nicht auch dunkel sind, lassen nicht eigentlich erfahren. In ihnen kann ja Licht nicht werden.
Hamann (mit Kafka): die Vertreibung aus dem Paradies findet mit jedem Wort aufs Neue statt, sie ist also nicht endgültig.

 

Mit Franz Josef Czernin erhält einer der renommiertesten deutschsprachigen Dichter der Gegenwart den 1. Magus-Preis 2011. In vielstimmigen Aphorismen hat Czernin einen „dialogischen Widerhall“ auf Hamanns wirkmächtige Schrift AESTHETICA. IN. NUCE verfasst. Seine pointierte Auseinandersetzung mit Hamann und der Magus-Preisfrage gibt erhellende und provozierende Einblicke in ästhetische Reflexion und Praxis heute.

175 Schriftsteller und Wissenschaftler aus dem deutschen Sprachraum hatten auf die Magus-Preisfrage geantwortet. Die Juroren Thorsten Ahrend (Wallstein Verlag, Göttingen), Katharina Hacker (Autorin, Berlin), Eva Kocziszky (Germanistin, Budapest) und Peter Waterhouse (Autor, Wien) entschieden über die ihnen anonym vorgelegten Beiträge und sprachen Franz Josef Czernin den 1. Magus-Preis zu.

Zuletzt erschienen von Franz Josef Czernin u.a. bei Hanser staub.gefässe. Gesammelte Gedichte (2008), Das Labyrinth erst erfindet den roten Faden. Einführung in die Organik (2005), bei Klever Das telepathische Lamm. Essays und andere Legenden (2005), bei onomato elstern. versionen. Gedichte (2006)

 

  Lesung und Gespräch
 

Sabine Scho:
Die verkehrte Seite der Tapete. Ein Brief an den lieben Jo

Ja, ganz recht, lieber Jo, selbst im sapere von Sapere aude! steckt noch das Schmecken und Riechen, es ist ja nicht so, als führten die Begriffe ein rein vernünftiges Leben, als seien sie universal. Sie sind universal in ihrer Bedeutungsbereitschaft, aber singulär in jedem einzelnen Fall ihres Gebrauchs, und sei es, um die Tapete verkehrt herum an die Wand zu kleben. Hätte denn sonst auch noch irgendeiner von uns Lust, etwas niederzuschreiben, es sei denn, es bestünde die Möglichkeit, mit jedem Wort die Welt neu zu erschaffen und nicht nur ein neues Wort für die Welt?

   
 

Sabine Scho, mehrfach mit renommierten Preisen ausgezeichnete Lyrikerin, kritisiert den „Magus“ in ihrem Brief an den „lieben Jo“ aus aufgeklärt-säkularer Perspektive. Sie spricht Hamann als Freundin an, distanziert sich aber von seinem Logosglauben und seinem Ideal von Poesie. Dichtung ist für sie nicht der Versuch, die Sprache der Natur und den göttlichen Logos nachzuahmen, sondern Möglichkeit, die Welt aus dem menschlichen Wort neu zu erschaffen.

Die GWK-Preisträgerin, die heute in Berlin und São Paulo lebt, stammt aus Ochtrup. Dort, auf Haus Welbergen, hatte Hamann den Winter 1787/88 verbracht.

Zuletzt erschienen bei KOOKbooks von Sabine Scho: farben. Gedichte (2008) und Album. Gedichte (2008).

 

  Vortrag
 

Hugh Barr Nisbet:
Weit mehr als Duldung: Respekt.
Lessings Verhältnis zur Toleranz

So kann man Lessings „Nathan der Weise“ als eine Art Barometer sehen. Seine Rezeption ist ein Indiz dafür, wie hoch oder tief die Bereitschaft der Rezipienten ist, opponierenden Gruppen Toleranz und Verständnis entgegenzubringen. Toleranz muss auf die Dauer gegenseitig werden, sonst entsteht bestenfalls passive Duldung oder aber ausgesprochene Feindschaft.


 

Der weltweit anerkannte Cambridger Germanist und Aufklärungsspezialist Hugh Barr Nisbet wurde 2010 mit dem 1. Hamann-Forschungspreis ausgezeichnet für seine Darstellung von Leben und Werk Gotthold Ephraim Lessings, der zentralen Figur der deutschen Aufklärung.

Lessing – Eine Biographie (C.H. Beck, 2008) bereitet höchsten Lesegenuss und hat Nisbet weit über akademische Kreise hinaus bekannt gemacht. Nisbet verbindet größte Faktentreue mit enormem Wissen und einem Stil, der äußerst elegant, weder kapriziös noch jargonhaft und zugleich wissenschaftlicher Präzision verpflichtet ist. Seine profunde Kenntnis von Lessings Werk, genaue Textlektüre und ein sicheres interpretatorisches Urteil befriedigen die Erwartungen und Ansprüche von Liebhabern, Studierenden und Forschern.

   
 

Der Hamann-Forschungspreis wurde durch die Zusammenarbeit der Westfälischen Wilhelms-Universität mit der Stadt Münster und der GWK ermöglicht. Das Preisgeld wurde von Gertraud und Reinhard Horstmann gestiftet.

 

  Musik
 

Die Pianistin und GWK-Preisträgerin Hanni Liang (Klavier)
begleitet die Lesungen und Gespräche musikalisch
mit Werken von Johann Sebastian Bach und Manfred Trojahn.