magus tage  MÜNSTER


Hamann und die Gattung "Preisfrage"

Eine Preisfrage im Zusammenhang der Magus Tage zu stellen, ist widersinnig und folgerichtig zugleich. Denn Hamann, der zwar „Rechtsgelehrsamkeit zum Schein“ und im Selbststudium Philologie, Philosophie und Volkswirtschaft studiert, aber keinen Universitätsabschluss gemacht und Systemdenken immer verabscheut hat, der „auf seine eigene Kosten“, nicht „auf Rechnung einer Gesellschaft1 gedacht hat und polemisch, ironisch, maskiert, einen schnellem Verstehen sich widersetzenden, wilden oder "kabbalistischen" Stil schrieb, Hamann, der die vielen Bücher, die er manisch verschlungen hat, immer an seinem einen Grund-Buch, der Bibel, maß –, Johann Georg Hamann beteiligte sich am populären akademischen Spiel seiner Zeit selber nicht. Jedenfalls nicht direkt. Keine Preisfrage der Königlichen Akademie der Wissenschaften, welcher er als Institution des preußischen Staates und der Berliner Aufklärung kritisch gegenüberstand, hat er mit einer Abhandlung beantwortet. Dennoch verdanken sich wichtige seiner Texte gerade ihren Preisfragen: Die ausgezeichneten Antworten, die Preisschriften, provozierten den „Philologen des Kreuzes“ zu radikalem Widerspruch.

So bezieht sich sein „Versuch über eine akademische Frage“ aus dem Jahr 1760 auf den von der Berliner Akademie der Wissenschaften ausgezeichneten Traktat von Johann David Michaelis über den Einfluss der Sprache auf die Meinungen und der Meinungen auf die Sprache. Mit seinen Herder-Schriften – „Zwo Recensionen nebst einer Beilage, betreffend den Ursprung der Sprache“ und „Des Ritters von Rosencreuz letzte Willensmeinung über den göttlichen und menschlichen Ursprung der Sprache“ von 1772 – 'rächt' Hamann als selbsternannter „kabbalistischer Philologe“ Herders Ablehnung der „höheren Hypothese“ vom göttlichen Ursprung der Sprache mit einer unkonventionellen theologisch-philosophischen These über den göttlich-natürlichen Sprachursprung. In seiner „Abhandlung über den Ursprung der Sprache“ hatte Herder die Entstehung der Sprache allein natürlich, aus der „Besonnenheit“ des Menschen und seiner Wahrnehmung des Blökens des Schafes erklärt. Zuvor hatte die Königliche Akademie der Wissenschaften 1769 nach der Möglichkeit eines natürlichen Ursprungs der menschlichen Sprache gefragt und Herders positive Antwort dann ausgezeichnet. Mit seinem berühmten Brief vom 18. Dezember 1784 an Christian Jacob Kraus, Professor für praktische Philosophie und Staatswissenschaft in Königsberg, Kollege, Schüler und enger Vertrauter Kants, stellt Hamann Kants „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ von der Preußischen Akademie als Preisfrage ausgeschrieben, als paradoxen Versuch der Bevormundung des Publikums dar.

„Der Reichthum aller menschlichen Erkenntnis beruhet auf dem Wortwechsel“, hat Hamann in seinen „Vermischte[n] Anmerkungen über die Wortfügung in der französischen Sprache2 bemerkt. Mit der Magus-Preisfrage wird nicht der Anspruch verbunden, die aufgeklärte Tradition der akademischen Preisfrage fortzusetzen. Doch Wortwechsel zu existenziellen Fragen der menschlichen Existenz, die über den kleinen Kreis der Fachleute hinaus in die Öffentlichkeit hineinwirken, lassen sich mit der Magus-Preisfrage möglicherweise initiieren. Wir erwarten keine ‚einzig gültigen‘ Antworten – zumal Hamann als Christ, im „sokratisch“-protestantischen Bewusstsein, Sünder und von wahrer Erkenntnis, wirklichem Wissen und der Sprache Adams im Paradies abgeschnitten zu sein, jede sich absolut setzende Position, jedes vereinheitlichende Wissen oder ein universelles, 'katholisches' System zurückwies (in seinem evangelischen Glauben allerdings war er unerschütterlich…). Ihn durchdrang die Überzeugung, dass sich grundlegende Gegensätze in der Welt nicht dialogisch-dialektisch und im Konsens vermitteln lassen. Als Autor provozierte der Magus in Norden selber in wechselnden Masken, in einem Stil, der noch heute Ärgernis erregt. Wir erhoffen einen „Wortwechsel“, der Widerspruch herausfordert und aushält, Widersprüche, Unsicherheiten, Unlösbarkeiten und Nichtwissen deutlich macht, der nichts glättet und kittet. Wir wünschen uns einen „Wortwechsel“, der Widerspruch ist, der, wo Vermittlung scheitert, den Widerspruch stehn lässt als Frage, die ihrerseits wieder Antworten als Fragen, GegenSätze, WiderSpruch fordert.



Anmerkungen

1) Versuch über eine akademische Frage. Hamann II, 126. Hamanns Schriften sind, wegen der besseren Lesbarkeit unter Anpassung der Orthografie an die heutige Schreibweise und unter Vernachlässigung der zahlreichen typografischen Auszeichnungen, zitiert nach: Johann Georg Hamann: Sämtliche Werke. 6 Bde. Hg. von Josef Nadler. Wien 1949–1957 (= Hamann I – VI).
2) Hamann II, 129.

 



 

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