magus tage  MÜNSTER


Johann Georg Hamann

Königsberg/Baltikum 1730 – 56: Johann Georg Hamann wird am 27. August 1730 als Sohn eines Baders und Wundarztes geboren – Studium der "Rechtsgelehrsamkeit zum Schein", extensive Lektüre und Selbststudium der Philologie, Philosophie, Volkswirtschaft, kein Studienabschluss – Hauslehrer auf baltischen Gütern

Riga/London 1756 – 58: Angestellter beim Handelshaus Berens in Riga – mit handels­politischem Auftrag in London gescheitert – in London Bohemien überm Abgrund, ein schwuler Junker hält Hamann aus: "Ich war der Verzweiflung nahe und suchte in lauter Zerstreuungen, selbige zu unterdrücken. Ich fraß umsonst, ich soff umsonst, ich buhlte umsonst, Völlerei und Nachdenken, Lesen und Büberei, Fleiß und üppiger Müßiggang wurden umsonst abgewechselt. Ich änderte fast monatlich meinen Aufenthalt, ich fand nirgends Ruhe." – Bekehrung als Wiedergeburt beim Lesen der Bibel: "Ich vergaß alle meine Bücher darüber, ich schämte mich, selbige gegen das Buch Gottes jemals verglichen zu haben. Ich erkannte meine eigenen Verbrechen in der Geschichte des jüdischen Volks, ich las meinen eigenen Lebenslauf."

Königsberg 1759 – 87: Schriftsteller und Publizist als "Philologe des Kreuzes", Protestant mit Lutherischem Logosglauben und Natursprachedenken, modern in der Erfahrung der Fremdheit der Schöpfung und der Zerrissenheit des Logos, barocker und zugleich ‚postmodern’ anmutender Kritiker abstrakter Vernunft und Aufklärung, unorthodoxer Advokat der Leiblichkeit und ganzheitlicher Individualität – Ehe ohne Trauschein mit Anna Regina Schumacher, vier "natürliche Kinder" mit ihr, verantwortungsvoller Vater und "Gatte" – im Brotberuf Übersetzer, Zollbeamter, Packhofverwalter im Königsberger Hafen, Armut: "in meinem Haus, wo alles wüste, verstört ist – und kein halbes Dutzend ganzer Stühle. Ich bin auch in meinem ganzen Leben zu keinem ordentlichen Anzuge de cap a pied gekommen, habe umsonst bisweilen Versuche gemacht, dies zu erreichen" – "homme de lettres" und Ruhm: als "Magus in Norden" im deutschen Sprachraum verehrt – Wirkung auf Herder und Goethe, Jacobi, Claudius, Wackenroder und Tieck, von Arnim und Brentano, Jean Paul, Kierkegaard, Grillparzer, im 20. Jahrhundert auf Benjamin, Jünger, Bobrowski, auf Eich, Wühr oder Egger, um nur einige zu nennen

Westfalen 1787 – 88: bei Friedrich Heinrich Jacobi in Pempelfort, bei der Fürstin Amalie von Gallitzin und bei seinem Mäzen, Franz Kaspar Bucholtz in Münster (Alter Fischmarkt / Todtengasse) und Ochtrup (Haus Welbergen) zu Gast: "Ich lebe hier im Schoße der Freunde von gleichem Schlage, von gleichem Gelichter und die sich wie Hälften zu meinen Idealen der Seele passen. Ich habe gefunden und bin meines Fundes so froh, und wenn es einen Vorgeschmack des Himmels auf Erden gibt, so ist mir dieser verborgene Schatz, diese köstliche Perle zu Teil geworden" – Tod am 21.06.1788 im Haus von Franz Bucholtz am Alten Fischmarkt/Ecke Todtengasse (jetzt Bült) in Münster

 


 

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