magus tage  MÜNSTER


SA 19. Okt | 16:00 Uhr | Theatertreff

 

Oliver R. Scholz | Philosoph
Endstation Sinnsucht?
Zwischen dem Streben nach Verstehen und der Sucht nach Sinn

Menschen streben nach Verstehen, wir sind verstehende Wesen. Im allgemeinen genügt es uns nicht, zu wissen, dass diesunddas der Fall ist, dass dasunddas geschehen ist, dass jemand soundso gehandelt hat, dass jemand dasunddas gesagt hat. Wir wollen es verstehen, und zwar in mehr als einer Hinsicht. Wir wollen verstehen, warum Dinge so sind, wie sie sind, warum Ereignisse eintraten, aus welchen Gründen jemand gehandelt hat, was bestimmte Äußerungen bedeuten und manches andere mehr. Wir streben nach Verstehen – manchmal mit Erfolg. Es mag sein, dass wir uns gelegentlich darin täuschen, wieviel, wie gut oder wie genau wir etwas verstehen. Aber darin täuschen wir uns wohl nicht: Wir verstehen gelegentlich etwas. Und vor allem: wir sind die Sorte von Wesen, die gelegentlich etwas verstehen. Was können wir verstehen, wie es richtig verstehen? Wo stoßen wir an Grenzen? Den Sinn von einzelnen Handlungen und ihren Produkten können wir oft richtig erfassen; das ermutigt uns dazu, Sinn auch im Großen zu erwarten: den Sinn des Lebens, der Weltgeschichte oder gar des Kosmos. Doch unsere Sinnwünsche bleiben notorisch unerfüllt. Liegt das daran, dass die jeweilige Form der Sinnsuche unsere Erkenntnisfähigkeiten übersteigt, oder liegt es daran, dass uns in Wahrheit unklar ist, wonach wir suchen und welche Entdeckung die Suche befriedigen würde?

„Wir sind verstehende Wesen.“

Prof. Dr. Oliver R. Scholz lehrt Philosophie der Neuzeit und der Gegenwart an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Forschungsschwerpunkte: Erkenntnistheorie, Sprach- und Zeichenphilosophie, Hermeneutik und Wissenschaftstheorie der Geisteswissenschaften, Metaphysik, Philosophie des Geistes.

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Magnus Schlette | Philosoph
Das Leben der Sprache.
Identität – Kreativität – Autobiographik

Sprache erfasst Leben. Das „große bunte, summende Durcheinander“ (William James), durch das uns die Weltlichkeit unseres Daseins buchstäblich auf den Leib rückt, wird sprechend in ein komplexes Netzwerk von Beziehungen überführt. Diese sind auf ein „Ich“ bezogen, das hier und jetzt erlebt: Identität. Leben ergreift aber auch Sprache. Der Sprecher bildet das „große bunte, summende Durch­einander“ nicht einfach ab, sondern artikuliert es in einer zukunftsoffenen Ausdrucksbewegung: Kreativität. Die Identität des Sprechers und seine Kreativität stehen in einer Wechselbeziehung, die eine Selbst-Beziehung ist, die den Namen einer Selbst-Beziehung verdient. Das „Selbst“ existiert nicht irgendwo „hinter" dieser Wechselbeziehung, sondern in ihrem Vollzug. Die literarische Gestaltung dieses Vollzugs ist die Autobiographik. Der Zusammenhang von Identität, Kreativität und Autobiographik wird an literarischen Beispielen erlebbar und im Hinblick auf pragmatistische und hermeneutische Theorien des menschlichen Selbstverhältnisses erkennbar.

„Woran ist denn erkennbar, dass wir etwas an uns verstehen?
Verstehen bereitet neues Erleben vor.“

PD Dr. Magnus Schlette ist Leiter des Arbeitsbereichs „Theologie und Naturwissenschaft“ der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST), Heidelberg, sowie Visiting Research Fellow am Käte Hamburger Kolleg „Dynamics in the History of Religions“ der Ruhr Universität Bochum. Forschungsschwerpunkte: Ideen, Muster und die sprachliche Artikulation von Identität, Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung in der Moderne.

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Magus-Preisfrage 2013


Charles de Roche | Literaturwissenschaftler
Versuch über
das Einfache des Schwierigen

„>Wenn der Leser nicht zaubern kann …< Worin besteht der Reiz und worin liegt der Sinn, schwierige literarische Texte verstehen zu wollen? " So lautete die Magus-Preisfrage 2013. „Der Buchstabe mag immerhin gedruckt sein, der Verstand und Sinn lässt sich nicht drucken“, bemerkte Hamann und erklärte damit das Verstehen eines Textes für grundsätzlich problematisch. Zudem beklagte er die mangelnde Bereitschaft seiner Zeitgenossen, sich auf schwierige Texte einzulassen. Die aber, die es tun, erklärte er zu 'Lebensrettern‘:

„Die beste Welt wäre längst ein totes Meer geworden, wenn nicht noch ein kleiner Same von Idio- und Patrioten übrig bliebe, die ein hapax legomenon (ein nur ein einziges Mal auftretendes Wort) lang wiederkäuen, zwo Stunden bei Mondschein zu Übersetzungen, Anmerkungen, Entdeckungen unbekannter Länder widmen, ohngeachtet sie des Tages Last und Hitze ertragen haben“.

Mit seinem „Versuch über das Einfache des Schwierigen“ hat der Züricher Literatur­wissenschaftler Charles de Roche den mit 4.000 Euro dotierten Magus-Preis 2013 der GWK-Gesellschaft für Westfälische Kulturarbeit gewonnen.

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Unter 101 Wettbewerbsbeiträgen aus Deutschland und dem Ausland suchte die Fachjury in einem anonymen Auswahlverfahren den überzeugendsten Beitrag aus. Die Juroren waren der Germanist Prof. Thomas Anz aus Marburg, der Lektor Dr. Rainer Götz, der beim Grazer Literaturverlag Droschl tätig ist, und der österreichische Schriftsteller Franz Josef Czernin, der 2011 den Magus-Preis erhielt (Foto). Charles de Roches „Versuch über das Einfache des Schwierigen“ sei, so die Jury, „virtuos geschriebene, im besten Sinne ‚altmodische‘ philosophische Prosa, die inhaltlich an die Grund­probleme des Hermeneutischen rührt. Der Essay stellt so etwas wie die Summe eines reichen Philologen­lebens dar. In dialektischer Formulierungskunst beleuchtet er den Sinn und die Lust der Reflexion theoretisch und führt zugleich selber vor, wie man sich an schwierigen Texten freuen kann.“


Programm  FR 18. Okt | 20 Uhr Programm  SA 19. Okt | 20 Uhr  
 

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